Die Winter-Ausgabe mit unserem Covergirl Rebecca Dayan ist da!
Sie hat zu viel Energie für ein eingleisiges Leben. Anstatt sich auf eines ihrer vielen Talente zu konzentrieren, geht die grazile 30-Jährige mit dem entschlossenen Blick lieber voller Elan allem gleichzeitig nach. So sei das schon immer gewesen, erinnert sie sich. "Ich bin in Südfrankreich, in der Nähe von Saint-Paul-de-Vence, aufgewachsen. Meine Eltern besassen ein Hotel, das im Sommer immer voller Leben war. Unter den Gästen waren viele aus dem Künstlermilieu. Ich war noch ein Kind, als mich die Direktorin einer Castingagentur entdeckte, und so habe ich mit den Castings für Fotos angefangen. Das hat mich in den Ferien und an den Wochenenden viel Zeit gekostet, ein bisschen zu viel Zeit übrigens! Als Teenager hat mich das gelangweilt." Doch die turbulente Atmosphäre der Fotostudios begleitete sie noch lange. "Meine Tante war über viele Jahre mit Peter Lindbergh liiert. Ich verbrachte viel Zeit hinter den Kulissen seiner Fotoshootings, die ich unheimlich interessant fand. Die Leute aus der Modebranche, denen ich dort begegnet bin, haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, mein Auge zu schulen und mein Interesse am Kunstbetrieb zu wecken."
Im Alter von 18 Jahren geht Rebecca Dayan nach Paris und nimmt an der Aufnahmeprüfung der École des arts décoratifs teil. Doch vor allem faszinieren sie das Modedesign und das Theater. "Ich habe im Studio Berçot gelernt und gleichzeitig abends Theaterkurse besucht. Ich konnte mich noch nicht entscheiden, und in mei- nen Augen ergänzten sich beide Ausbildungen letztlich ganz gut.» Ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen – das ist das Credo dieser jungen Frau, die offenbar keine Lust hat, sich brav in irgendeine Schublade einsortieren zu lassen. Mit ihrem Diplom des Studios Berçot in der Tasche trifft Rebecca die Designerin Gabrielle Greiss und wird deren Assistentin: "Ich arbeitete für sie, als sie Modejournalistin bei der Zeitschrift "Mixte" war, und dann 2008 bei Sonia Rykiel. Ich habe unglaublich viel gelernt und zahlreiche Recherchen für sie durchgeführt. Ich habe mich immer gern in die Geschichte eines Kleidungsstücks vertieft, den Faltenwurf eines Stoffes studiert... Bei Sonia Rykiel habe ich alles Mögliche gemacht, ich war Atelier-Model, ich habe Entwürfe gezeichnet..." Das Pariser Modehaus bietet ihr eine feste Stelle an, aber sie lehnt ab und geht stattdessen auf eine mehrmonatige Reise nach Asien, "um den Kopf frei zu bekommen".
Seit acht Jahren lebt sie nun auf der anderen Seite des Atlantiks und gesteht, dass die Entscheidung für New York eher spontan gefallen ist. Nur um zu sehen, wie das ist. "Die Staaten haben mich angezogen, ohne dass ich das wirklich erklären könnte. Dort habe ich mich dann wirklich in die Schauspielerei gestürzt. Ich habe an verschiedenen Theater-Workshops teilgenommen und bin durch die harte amerikanische Schule gegangen." Eine Zeit lang pendelte sie zwischen dem Big Apple und Los Angeles und hat erst kürzlich ein Apartment an der Lower East Side von Manhattan gekauft. "Die Renovierungsarbeiten sind gerade erst abgeschlossen. Das hat mich viel Energie gekostet, aber es hat mir Spass gemacht! Ich möchte mich zuhause wohlfühlen." Und wie fühlt man sich als Französin in New York? "Es stimmt, der Mythos der Französin lebt hier fort. Es existieren zahlreiche Klischees darüber. Ich habe das Gefühl, dass die amerikanische Kultur nach und nach auf mich abfärbt. Diese positive Lebenseinstellung und die Coolness. Übrigens träume ich inzwischen auf Englisch! Andererseits bin ich doch sehr europäisch geblieben..." Und sie hat wieder angefangen zu malen: "Ich mache viele Porträts und Aquarelle. Ich bin gerade auf der Suche nach einem Atelier, weil ich mich gern noch intensiver damit beschäftigen und meine Bilder ausstellen möchte." In der Zwischenzeit beweist sie ihr Talent in Kinofilmen. 2018 wird sie mit Margaret Qualley in Margaret Betts Film "Novitiate" zu sehen sein. Der Film, in dem es um eine Ordensgemeinschaft in den 1960er-Jahren geht, wurde am letzten Toronto International Film Festival vorgestellt und am Sundance Film Festival im Januar 2017 ausgezeichnet. Zurzeit beschäftigt sich Rebecca mit einem Kurzfilm: "Ich bin dabei, Geldgeber zu suchen, und werde vielleicht eine eigene Produktionsgesellschaft gründen." Weitere Pfeile in einem bereits gut bestückten Köcher.
Fotografie
Sebastian Sabal-Bruce
Video
Basil Faucher
Styling
Alizee Henot
Text
Maud Gabrielson
Make-up
Allie Smith
Haare
Hikaru Hirano
Bildassistent
Jason Muhlberger
PDA
Christopher Blythe