My Dear Pals... - Carla Sozzanis beeindruckende Fotosammlung
Das Gedächtnis unserer Zeit ist geprägt von Dingen, die Erinnerungen festhalten. Manchmal genügt ein Duft, eine Stimme, ein Wort, ein Bild – und wir tauchen auf magische Art in eine Erinnerung ab. Kaum einem Medium gelingt das wie der Fotografie. Paradoxerweise vereint sie beides: die Endlichkeit und Unendlichkeit. Sie fixiert unwiderruflich verflossene Augenblicke und hält diese als Erinnerungen für immer fest.
Als Chefredaktorin der italienischen «Elle» und «Vogue» hat Carla Sozzani, die Schwester von Franca Sozzani, mit den bedeutendsten Fotografen zusammengearbeitet und über die Jahre eine beeindruckende Fotosam- mlung zusammengetragen. Die Liste liest sich wie das Who’s who der internationalen Kunstszene. Annähernd tausend Werke umfasst ihre Sammlung, unter anderem solche von Cecil Beaton, Erwin Blumenfeld, Louise Dahl-Wolfe, Hiro, David LaChapelle, Helmut Newton, Irving Penn und Herb Ritts. Seit 1990 stellt sie die Werke in ihrer Mailänder Galerie Carla Sozzani aus, die Teil des von ihr gegründeten ersten Concept Store überhaupt ist: 10 Corso Como. Seit der Galeriegründung vor 28 Jahren kamen so Hunderte von Ausstellungen zusammen.
Von einer Sammlung sprach die Mailänder Galeristin lange nicht. «Ich habe nur Erinnerungen, keine Fotografien. Sie sind Andenken an Freundschaften», erzählt Sozzani. Es war der Modeschöpfer Azzedine Alaïa, der sie zur Sichtbarmachung dieser Bilder aufforderte – und damit die Ausstellung «Between Art & Fashion» initiierte. Mit Fabrice Hergott, dem Direktor des Musée d’art moderne de la Ville de Paris, als langjährigem Freund und Kurator zur Seite wurde aus dem vielschichtigen, fotografischen Korpus die Sozzani-Sammlung, die nun erstmals in Deutschland gezeigt wird.
Vier Kooperation ragen heraus: zwischen Carla Sozzani und Paolo Roversi, Sarah Moon, Helmut und June Newton. Für Sozzani sind sie Familie, so auch Helmut Newton und dessen Frau June, die seit den 1970er-Jahren unter dem Pseudonym Alice Springs ein eigenständiges fotografisches Werk geschaffen hat. In «June’s Room» finden sich 22 erstmals gezeigte Porträts, darunter von Künstlerpersönlichkeiten, Modedesignern und Hollywoodstars. Daneben gewähren Souvenirs und von Hand verfasste Faxnachrichten Einblicke in langjährige Freundschaften, deren Fundament eines bildet: die Leidenschaft für Fotografie. Angesichts der Tatsache, dass Carla Sozzani viel Zeit in der Modebranche verbracht hat, finden sich auffallend wenig Modefotografien in der Sammlung. Fashion, das macht die Ausstellung sichtbar, war nie ausschliesslich Fashion, sondern immer verschränkt mit Kunst, Populärkultur oder Geschichte.
Neben Ikonen der Modefotografie sind daher auch unbekannte und überraschende Meisterwerke von Berenice Abbott, Laszlo Moholy-Nagy oder Walker Evans zu entdecken. Viele der Fotografien sind figurativ, die meisten Figuren weiblich, so schliesst sich der Kreis zur Mode, Sozzanis anderer Leidenschaft.
Mit dem Fokus auf Schwarz-Weiss-Fotografie mutet «Between Art & Fa- shion» wie ein Blick in eine vergangene Zeit an, einem fotografischen Tagebuch gleich, das an die Erinnerungskultur privater Fotoalben anknüpft – jenseits kurzlebiger Bildinhalte auf Instagram und Co. Im Zeitalter der digitalen Bilderflut trifft Carla Sozzani damit den Zeitgeist.
«Between Art & Fashion. Photographs from the Collection of Carla Sozzani. Alice Springs. Portraits»
bis 18. November 2018 in der HELMUT NEWTON FOUNDATION, Berlin.
Image Credits:
ALICE SPRINGS