Schmuck

Ewige Jugend

Ist der Diamant etwa zu luxuriös? Nicht für Cartier, der sich dazu entschieden hat, diesem Stein, der viel zu oft mit altehrwürdigem Schmuck assoziiert wird, neuen Schwung zu verleihen. Interview mit Pierre Rainero, Styling- und Image-Direktor, sowie Direktor des kulturellen Erbes des Hauses, der uns die neue Kollektion des Labels, «L’Allure en blanc» vorstellt.
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Es scheint, dass der Diamant die Millennials einschüchtert – was verständlich ist, ist der Diamant doch der Stein schlechthin für Könige und Königinnen und erste Wahl für Verlobungsringe. Er trägt daher ungewollt die Last immenser Legenden, seiner uralten Geschichte und seiner mannigfaltigen Symbolik. Ein kurzer Blick in die Archive von Cartier in der Rue de la Paix genügt, um zu begreifen, welch unglaubliche Kreativität die Aura und das Licht dieses unvergleichlichen Edelsteins seit dem berühmten Girlandenstil entfesselt haben. Ein Oversize-Ring aus facettierten Kugeln für den kleinen Finger, Phalanx-Ringe, ein flacher Armreif, ein Panter auf der Rückseite des Ohrs, invertierte Creolen, ein geometrisches Uhrenarmband mit abwechselndem Baguette- und Brillantschliff, Haarschmuck, der sich zum Armreif umwandeln lässt: Die neue Kollektion von Cartier, «L’Allure en blanc», ist ganz dem Diamanten gewidmet und bezeugt mit Bravour, dass dieser Stein für alle Stilrichtungen geeignet ist und alle Freiheiten gestattet. Pierre Rainero wird dies sicher nicht verneinen.


L’OFFICIEL Schweiz: Ist «L’Allure en blanc» eine Anspielung auf die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so populäre Joaillerie blanche, die als eine französische Besonderheit gilt?
Pierre Rainero: Vorsicht vor Verallgemeinerungen und falschen Bildern. Wir haben eine nachträgliche Sicht auf den Girlandenstil, die teilweise falsch ist. Die Stücke mit grossen Steinen – Diademe, grosse Halsketten oder Vorderteile von Korsagen – wurden grösstenteils demontiert. Diese Stücke hatten farbige Steine. Als die Grossherzogin Maria Pawlowna Romanowa ihre Kollektion für ihre Kinder aufgeteilt hat, hat sie sie in die Farben Rot, Grün, Weiss und Blau unterteilt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Fotos zu der Zeit schwarz-weiss waren, was nicht unbedingt chromatische Vorlieben jener Zeit wiedergibt. Das kollektive Gedächtnis hat den Diamanten behalten, da der damalige Aufstieg des Platins ihm einen nie da gewesenen Glanz verliehen hat. Bei Cartier sprechen wir auch von der Joaillerie blanche der 30er-Jahre, einer Epoche, die auf die Farbexplosion in den Jahren 1910 und 1920 folgt. Aber noch einmal: Dies ist eine etwas radikale Sichtweise. Armbänder und lange Halsketten mit Diamanten kommen nie aus der Mode.


Warum haben Sie sich dazu entschieden, dem Diamanten «einen neuen Schwung zu verleihen»? Bedeutet das, dass Sie diesen klassischen Stein in Volumen, Design und Präsenz von den üblichen Konventionen befreien möchten?
Cartier hat stets innovativ gearbeitet. Wandelbarer Schmuck gehört zur Tradition des Hauses. Diese Kollektion erinnert uns daran, dass der Diamant, bei dem das Spiel mit dem Licht unerlässlich ist, ein fester und unverzichtbarer Teil unserer Vorstellung von Schmuck ist. Unabhängig von der Qualität der farbigen Steine bringt der Diamant einen unnachahmlichen Glanz. Die Kombination aus unterschiedlich grossen Steinen verleiht dieser Kollektion den charakteristischen Cartier-Stil. Princess-Schliff, Brillant-Schliff und Baguette-Schliff auf verschiedenen Ebenen platziert, verstärken das Funkeln der Steine zusätzlich. Dieser Ebene kommt in der neuen Kollektion eine besondere Bedeutung zu, sowohl bei den figurativen als auch bei den geometrischen Stücken.


Historisch gesehen, war der Diamant ein Stein der Macht, dann bewegte er sich in den Bereich des Zarten, um schliesslich die Rolle als Stein der ewigen Liebe einzunehmen. Ich habe den Eindruck, mit dieser Sammlung möchte Cartier ihm einen ganz neuen Inbegriff verleihen: Ist der Diamant jetzt der Stein des Aussehens, das heisst der Stein der Freiheit?
Die berühmten Solitärdiamanten und Verlobungsringe sind vor allem eine Erfindung aus dem angelsächsischen Raum. Ich würde sagen, dass wir von einer willkommenen Sakralisierung des Diamanten profitieren. Alles, was den Zugang zu Schmuck und das Wissen darüber erleichtert, ist willkommen. Das gibt dem Schmuck eine neue Leichtigkeit und Vertrautheit. Die Symbolik des Diamanten kann Vertrauen signalisieren und bei Feierlichkeiten eingesetzt werden, zum Beispiel, wenn eine Geburt gefeiert wird oder ein anderes wichtiges Ereignis. Nur Sie allein kennen so die Bedeutung des Juwels, was seinen kostbaren Charakter noch verstärkt, da es im Grunde etwas über Sie aussagt. Nicht zu vergessen ist auch die auflockernde Wirkung, die so ein Stück auf ein, sagen wir, etwas strengeres Outfit haben kann. Männer kaufen zum Beispiel unsere antiken Broschen, weil sie Humor, Diskrepanz und eine relative Kostbarkeit vereinen. Aus diesem Grund bietet die Kollektion einige Stücke an, die für beide Geschlechter geeignet sind.


Sie sind Direktor des kulturellen Erbes des grössten und berühmtesten Juweliers der Welt. Ein privilegierter Beobachter. Was ist Ihre Meinung über die aktuelle Schmuckszene?
Ich arbeite seit über dreissig Jahren für dieses Haus, und ich bin ziemlich zuversichtlich. Im Vergleich zu den 80er-Jahren war das Gefühl für und das Wissen um die künstlerische Dimension von Schmuck noch nie so weit verbreitet wie heute. Das gibt uns die Möglichkeit, uns voll und ganz auszudrücken. Und ich denke, dass dies auch für viele andere Häuser zutrifft, die sich genauso frei fühlen. Für die Kunden war das Angebot noch nie so reichhaltig. Ich denke, wir leben in einer grossartigen Zeit.

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ZVG

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